Nun haben Beschäftigte gerade die Freiheit erlangt ganz oder teilweise die Aufgaben aus dem kuscheligen Zuhause oder von anderen Orten abseits des Firmensitzes zu erledigen, da kündigen insbesondere große Konzerne die geplante Rückkehr in die Firmenzentralen an. Diese Maßnahme würde absolut konträr gegenüber den Wünschen der Angestellten verlaufen. Laut einer Umfrage von McKinsey vom April dieses Jahres würden gerne 97% der Mitarbeitenden für den Rest ihrer beruflichen Laufbahn zumindest zeitweise on remote arbeiten wollen. Fakt ist, dass in Deutschland gerade einmal ein Viertel aller Erwerbstätigen zumindest gelegentlich im sogenannten Homeoffice gearbeitet haben (Statistisches Bundesamt 11.07.2023) und diese Flexibilität nicht mehr missen wollen.

Warum möchten die Menschen in der Wahl des Arbeitsort flexibel sein? Der Arbeitsweg fällt weg und damit lange Pendelzeit sowie hohe Spritkosten. Außerdem kann die Zeiteinteilung teilweise frei gewählt bzw. an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden, es herrscht mehr Ruhe für konzentrierte Arbeiten, und es wird mehr Zeit für Familie und Freizeitaktivitäten gewonnen. Die Beschäftigten sind zufriedener, weniger ausgebrannt und erzielen bessere Arbeitsergebnisse – nach ihrer eigenen Einschätzung.

Und warum wollen die Firmen, die einst große Freiheit versprachen, die Belegschaft – ohne Rücksicht auf deren Bedürfnisse – teilweise unter Androhungen zurück ins Büro holen? Sicherlich war die Vorstellung, jeder könne von überall aus arbeiten, ohnehin eine Illusion. Und sicherlich hat sich manch Arbeitgeber dieser Illusion etwas zu naiv hingegeben, weil daraus schneller offene Stellen besetzt werden konnten. Doch es zeigen sich inzwischen offensichtlich Schwachstellen des hybriden Arbeitsortmodells. Die Innovationskraft lässt erwiesenermaßen nach, da Ideen u.a. im zufälligen Aufeinandertreffen von Personen während des Tages entstehen und vorangebracht werden. 35% der Ideen entstehen in Firmen am geliebten Kaffeeautomaten, was die Bedeutung des persönlichen Austauschs unterstreicht. Die Identifikation mit dem Arbeitgeber, den Kollegen und den Aufgaben ist aus dem Homeoffice schwer erreichbar. Dieser Zustand kann zur Folge haben, dass das Unternehmen als Arbeitgeber austauschbar wird. In Bewerbungsgesprächen wird als zentrale Anforderungen an zukünftige Arbeitgeber formuliert, dass die zwischenmenschliche Ebene unbedingt passen soll und dass eine fundierte Einarbeitung gewünscht wird. Nur wie sollen Vorgesetzte diese Wünsche erfüllen, wenn die Hälfte der Belegschaft nicht vor Ort ist oder neue Mitarbeiter gar teilweise allein in der neuen Abteilung sitzen. Das fühlt sich nicht gut an. Die Folgereaktionen wie Flucht in Krankheit oder Kündigung sind leicht vorstellbar.

Flexibilität und hybrides Arbeiten werden schwerlich vom Markt verschwinden, bedürfen jedoch Regeln, damit der gegenseitige Austausch, das soziale Gefüge, Aus- und Weiterbildung und Zugehörigkeit gefördert werden. Die vielseits verabschiedete Maßnahme, an wieviel Tagen Anwesenheitspflicht besteht und an wie vielen anderorts gearbeitet werden kann, reicht nicht aus, um die Schwachstellen dauerhaft zu eliminieren. Es geht vielmehr um Vertrauen, die Bedürfnisse von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Einklang zu bringen, so dass Ergebnisse und Ziele erreicht werden. Transformation der Arbeitswelt fängt im Unternehmen an, um die bestmöglichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche und zukunftsweisende Zusammenarbeit zu schaffen. Harte Ansagen oder Bevormundung werden jedenfalls niemanden ins Büro zurückholen.

Der Mangel an Arbeitskräften ist zur allgegenwärtigen Herausforderung für Arbeitgeber geworden. Unternehmen suchen nach neuen Wegen, um offene Stellen zu besetzen. Eine viel diskutierte Option ist, Anforderungen an die berufliche Eignung der potenziellen Bewerber herunterzustufen. Dies mag auf den ersten Blick wie ein pragmatischer Schritt erscheinen, um Kandidaten ohne traditionelle Qualifikationen einzustellen; doch es ist wichtig, die Vor- und Nachteile dieser Herangehensweise sorgfältig abzuwägen.

Der Personalmangel hat viele Gesichter: von der Suche nach hochqualifizierten Ingenieuren bis hin zur Notwendigkeit, einfache Dienstleistungsberufe zu besetzen. In dieser Vielfalt der Bedürfnisse liegt eine Möglichkeit, die Anforderungen an Bewerber anzupassen und flexibler zu gestalten. Die Lösung besteht darin, den Fokus von starren Bildungshintergründen auf die praktischen Fähigkeiten und die Bereitschaft zur Weiterbildung zu verlagern. Dies eröffnet die Tür für Menschen ohne formale Ausbildung und diejenigen mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen.

Kandidaten ohne formale Ausbildung könnten beispielsweise über praktische Erfahrungen verfügen, die für bestimmte Positionen genauso wertvoll sind wie akademisches Wissen. Wenn jemand über die notwendigen Fähigkeiten und die Motivation verfügt, sich weiterzuentwickeln, sollte dies genauso zählen. Unternehmen könnten Schulungs- und Weiterbildungsprogramme anbieten, um Wissenslücken zu schließen und die Mitarbeiter auf den neuesten Stand zu bringen.

Ebenso könnten Personen mit artfremder Ausbildung eine erfrischende Diversität in ein Unternehmen bringen. Erfahrungen, Synergien und Ideen aus anderen Bereichen zu übertragen, kann zu innovativen Lösungen führen. Durch die Bereitstellung von Quereinstiegsprogrammen oder Umschulungsmöglichkeiten könnten Unternehmen von dieser Vielfalt profitieren.

Doch auch wenn die Anpassung von Anforderungen eine verlockende Option darstellt, gibt es kritische Aspekte zu beachten. Ein zu großzügiger Verzicht auf Bildungs- und Erfahrungskriterien könnte die Qualität der Arbeitsleistung im gesamten Unternehmen beeinträchtigen. Es ist wichtig sicherzustellen, dass Mitarbeitende trotz ihrer Diversität das notwendige Wissen, gefragte Fähigkeiten und die Bereitschaft zur Einarbeitung mitbringen. Außerdem kann in vielerlei Berufsgruppen nicht auf einen Bildungsabschluss verzichtet werden wie zum Beispiel Ärzte, Juristen und Bauingenieure. Ein nicht ganz unerheblicher Nachteil ist der zeitliche und monetäre Aufwand, um Kandidaten entsprechend einzuarbeiten und weiterzubilden.

Insgesamt ist Aufgeschlossenheit bezüglich von Abschlüssen und Erfahrungen eine mögliche Lösung, um offene Stellen schneller zu besetzen. Allerdings ist der Anspruch am Arbeitsmarkt an die Qualifikationen von Bewerbern hoch. Unternehmen können von einer offeneren Einstellung gegenüber verschiedenen Hintergründen und Erfahrungen profitieren, solange sie gleichzeitig sicherstellen, dass die Integrität ihrer Teams und die Qualität ihrer Produkte oder Dienstleistungen erhalten bleiben.

„Wenn der Wind des Wandels weht, bauen die Einen Schutzmauern, die Anderen bauen Windmühlen.“ Chinesische Weisheit

Gehören Sie zu den „Einen“, die sich vor Veränderungen schützen und den Wandel am Markt ignorieren? Oder zu den „Anderen“, die den Wind für Antrieb und Fortschritt nutzen? Wandel ist eine dauerhafte Konstante, mit der sich Unternehmen und Arbeitgeber auseinandersetzen müssen, um die eigene Position am Markt weiterzuentwickeln, zu festigen oder gar auszubauen. Wandel ist für die „Einen“ mit Vorbehalten und Ängsten verknüpft und für die „Anderen“ mit Innovation und Aufbruch. Der Wandel auf dem Arbeitsmarkt bedingt durch die negative demografische Entwicklung, den technologischen Fortschritt u.a. durch Digitalisierung und künstliche Intelligenz, die Veränderungen im Beschäftigungsverhältnis, den Zuwachs ausländischer Arbeitskräfte und die rechtlichen Vorgaben (z.B. Arbeitszeiterfassung, Anhebung des Mindestlohns, Einführung einer 4-Tage-Woche) ist unaufhaltsam und stellt Arbeitgeber immer wieder vor neue Herausforderungen.

Trotz einer Rekordbeschäftigung von 46 Mio. Erwerbstätigen und 2,6 Mio. Arbeitslosen, bleiben 2 Mio. Stellen offen.[1] Es scheint paradox, dass händeringend allerorten Personal gesucht wird, obwohl die Beschäftigung ein Rekordniveau erreicht hat. Paradox erscheinen die Personalengpässe auch angesichts der Tatsache, dass sich die Wirtschaft rezessiv entwickelt und immer noch mehr als 2,6 Millionen Menschen arbeitslos sind. Das Personaldilemma wird dadurch verschärft, dass die Zahl der Menschen, die dem Arbeitsmarkt grundsätzlich zur Verfügung stehen, jedes Jahr alterungsbedingt um bis zu 400.000 Personen schrumpft – wenn es nicht gelingt, dies durch Zuwanderung und steigende Erwerbsbeteiligung von Frauen und Älteren auszugleichen. Zusätzlich gibt es das Dilemma, dass die offenen Stellen in vielen Fällen nicht zu denjenigen Personen passen, die arbeiten können und wollen. Ursachen dafür sind u.a., dass Arbeitssuchende und Arbeitsplätze sich nicht am gleichen Ort befinden, dass Qualifikationen oder Berufswünsche nicht zu den offenen Stellen passen, dass Arbeitsbedingungen und Entlohnung der offenen Stellen nicht attraktiv genug sind und dass Arbeitssuchende und Betriebe aufgrund fehlender Markttransparenz nicht zusammenkommen.

Trotz aller Unwegsamkeit und Hindernisse lohnt sich Wandel. Es wird allerdings nicht nur den einen Königsweg geben, der aus dem Dilemma herausführen wird. Eine mehrgleisige Strategie wird notwendig sind, um sich als attraktiver Arbeitergeber zu positionieren, abzuheben und auf sich aufmerksam zu machen. Unter den circa 3,6 Mio. Unternehmen in Deutschland kann man schon mal übersehen werden – insbesondere von potenziellen Arbeitssuchenden. Sichtbarkeit als Arbeitgeber ist eine Schlüsselkomponente, um keine oder zumindest weniger offene Stellen zu verzeichnen als die Mitbewerber. Weitere Kompetenten in der mehrgleisigen Strategie sind gute und flexible Arbeitsbedingungen, faire Entlohnung, Weiterentwicklung von Qualifikationen, transparente Kommunikation, Zusammenarbeit, Diversität und Chancengleichheit u.v.m.. Die aufgelisteten Punkte sind keine Neuheiten, sondern lange bekannt. Auf dem Arbeitsmarkt ist es bereits 10 nach 12! Es ist Zeit anzufangen. Anzufangen, Maßnahmen zu entwickeln, die Arbeitgeber authentisch nach innen und außen vertreten, um als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Zu viele Unternehmen verstecken sich in ihrer Rolle als Arbeitgeber noch immer hinter den hochgezogenen Mauern, um darauf zu warten, dass sich die Bedingungen zu ihren Gunsten verbessern. Die Bedingungen wandeln sich, doch die Mauer muss selbst durchbrochen werden, damit es besser wird.

[1] IAB-Forum, 2023

Fehlende Arbeitskräfte haben sich zu einem eklatanten Risiko für deutsche Unternehmen entwickelt – unabhängig von der Größe. In allen Berufsgruppen, ob Handwerk, Ingenieurswesen, Medizin oder Pflege, in allen Branchen und in allen Regionen – überall fehlt Personal. Der gesellschaftliche Wohlstand in Deutschland kann nur erhalten werden, wenn Fachkräfte aus der EU oder aus dem außereuropäischen Ausland auf dem deutschen Arbeitsmarkt zugelassen werden. Aus diesem Grund ist am 01.03.2020 das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft getreten, um damit den Zugang und die Perspektiven für qualifizierte Arbeitskräfte aus Nicht-EU-Ländern zu erleichtern, die unsere Wirtschaft dringend benötigt.

Im Jahr 2022 gab es mehr als 1,7 Millionen offene Stellen in Deutschland. Bis 2035 könnte der deutsche Arbeitsmarkt um bis zu sieben Millionen Arbeitskräfte schrumpfen, wenn nicht gehandelt werde. In diesem Zusammenhang taucht immer wieder eine Zahl auf: 400.000 Zuwandernde werden jährlich notwendig, um die Lücke am Arbeitsmarkt zu stopfen. [1]

Viele Unternehmen sehen die Zuwanderung von qualifizierten Arbeitskräften als größten Hebel, um den Folgen des demografischen Wandels zu begegnen. Doch ist die Einwanderung von Fachkräften kein Selbstläufer. Die größte Hürde ist die Sprachbarriere. Während in manchen Berufszweigen wie z.B. IT die deutsche Sprache nicht von elementarer Bedeutung ist, sind fließende Deutschkenntnisse in anderen Berufen/Branchen eine absolut notwendige Voraussetzung. D.h. im Klartext: die ausländischen Fachkräfte müssen bereits bei Ankunft in Deutschland am besten muttersprachlich Deutsch sprechen.

Die nächste Hürde ist die Anerkennung von ausländischen Bildungsabschlüssen. Langwierige, bürokratische Prozesse lassen arbeitswillige Fachkräfte lange im Heimatland im Ungewissen und spannen einstellungswillige Firmen auf die Folter. Zudem müssen die Unternehmen gewährleisten, dass die ausländischen Mitarbeitenden angemessen – vergleichbar mit dem deutschen Lohnniveau – verdienen und sie bei der Wohnungssuche unterstützt werden.

Wer dringend vakante Stellen besetzen möchte, muss bei der Einstellung von Personen aus Drittländern einen langen Atem haben. Schnelligkeit ist nicht gerade die Stärke in den hiesigen Verwaltungen, da sie u.a. nicht auf die erhöhte Nachfrage von ausländischen Bewerbenden vorbereitet sind.

Zusätzlich kämpft Deutschland mit anderen EU-Mitgliedern und den USA um Arbeitssuchende aus Drittstaaten, wo die Karrierechancen teilweise deutlich höher und die bürokratischen Prozesse kürzer sind.

In der Literatur und Medienberichten wird im Zusammenhang mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz nicht über Ängste und Vorurteile gegenüber ausländischen Mitarbeitenden berichtet. Doch die Arbeitgeber beschäftigen auch Fragen wie lange die Arbeitskraft in Deutschland bleiben wird, wie die Integration verläuft, wie die Mitarbeitenden und Kunden auf Sprachhemmnisse, andere Hautfarben, kulturell geprägte Verhaltensweisen reagieren? Das sind ernst zu nehmende Vorbehalte, die vor einer Rekrutierung ausländischer Fachkräfte intern besprochen und geklärt werden müssen.

Eine Integration kann nur gelingen, wenn ein Integrationskonzept vorliegt, eine Willkommenskultur sowie interkulturelle Kompetenz gelebt wird. Integration geschieht nicht von selbst, sondern ist ein andauernder Lernprozess. Wer als Arbeitgeber Fachkräfte aus dem Ausland gewinnen und halten möchte, sollte diesen Prozess angehen. Der Blumenstrauß zur Begrüßung wird allein nicht ausreichen.

[1] Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, IAB-Stellenerhebung; Bundesagentur für Arbeit. Stand: 12. Mai 2022

Die 5-Tage-Woche ist wie ein Naturgesetz in unserer Arbeitswelt verankert. Täglich acht Stunden arbeiten; genauso wie es unsere Eltern schon gemacht haben. Erinnern wir uns: 1966 wurde dieses Modell anstelle der 6-Tage-Woche eingeführt. Mit Einführung von Fließbandarbeit und zunehmender Industrialisierung wurden Produktion, Produktivität und Gewinne gesteigert. Die Arbeitszeit wurde sukzessive von 48 auf 40 Stunden gesenkt. Trotz weniger Arbeitstage und -zeit hat sich seitdem unser Wohlstand vermehrfacht.

Zurück in die Gegenwart: Heute beschleunigen zunehmende Digitalisierung und Technologisierung unsere Prozesse und schaffen Freiräume für neue Kapazitäten. Dadurch gerät die klassische 5-Tage-Woche ins Wanken, und sie wird kritisch hinterfragt. Die Forschung zeigt, dass Menschen in Teilzeitmodellen zwischen 10 und 15% produktiver sind als Vollzeitangestellte. Gemäß einer Umfrage der HDI aus 2022, würde ein Großteil der Arbeitnehmer die Arbeitszeit reduzieren, in Teilzeit oder in eine 4-Tage-Woche wechseln wollen – vorausgesetzt der Lohn stimmt. Denn nur 13,7% der Befragten würden bei der Arbeitszeitreduzierung auf Gehalt verzichten wollen.

Auf Arbeitgeberseite wird die Frage laut, wie das hohe Arbeitsaufkommen in Anbetracht fehlender Fachkräfte an vier Tagen erledigt werden soll. Fast 50% der Unternehmen sahen das Geschäft durch den Mangel an Personal beeinträchtigt. Die Wünsche der heranwachsenden Generationen in Einklang zu bringen mit traditionellen Arbeitsmodellen klingt nach der Quadratur des Kreises. In westlichen Industrienationen steht die klassische 5-Tage-Woche auf dem Prüfstand: Belgien hat Anfang dieses Jahres die 4-Tage-Woche gesetzlich verankert – allerdings bei gleicher Stundenanzahl – und zahlreiche Unternehmen setzten dieses Modell oder andere flexible Arbeitszeitmodelle bereits vor Jahren mit Erfolg um.

Es gibt für beide Seiten gute Argumente für und gegen die Reduzierung der Arbeitszeit auf gleichem Lohnniveau. Und es wird auch keine Lösung geben, die auf alle Branchen passen wird. In Branchen, in denen die Anwesenheit nicht zwingend notwendig für die Ausführung der Arbeit ist wie z.B. in IT-Berufen lässt sich tendenziell ein 4-Tage-Modell eher umsetzen. Problematischer wird der Fall in Berufen der Gesundheitsbranche, da die Anwesenheit des Personals vorausgesetzt wird. Weniger Anwesenheit würde mehr Personal bedeuten, was aktuell ohnehin schon knapp ist.

Ein Experiment in Island stimmt wiederum euphorisch, dass die 4-Tage-Woche bei gleichbleibendem Gehalt funktionieren kann. Trotz reduzierter Arbeitszeit blieben Produktivität und erbrachte Leistungen gleich, teilweise verbesserten sie sich auch. Der Erfolg basiert auf der Überarbeitung von Arbeitsroutinen. Meetings wurden verkürzt oder gänzlich durch eMails ersetzt, und es wurde gezielt nach Aufgaben gesucht, die sich streichen ließen.

In einem anderen Unternehmen wurde die Arbeitszeit auf sechs Stunden pro Tag verkürzt. Voraussetzung war (die Angestellten hatten die Wahl diesem Pilotprojekt zuzustimmen), dass die private Korrespondenz via Telefon, WhatApp o.ä., den Mitarbeitenden gänzlich untersagt wurde. Und siehe da: Die Arbeitszeit wurde wesentlich effizienter genutzt, die Produktivität stiegt und die Beschäftigten freuten sich über mehr Freizeit.

Unabhängig von dem Modell, ob 4- oder 5-Tage-Woche, ob Teil- oder Vollzeit, unabhängig von Branche und Tätigkeit, geht es um mehr Arbeitszeitflexibilität angepasst an den individuellen Bedürfnissen. Während einer Familienphase mit kleinen Kindern ist sicherlich mehr Flexibilität gewünscht als von familiär unabhängigen Menschen. Wünschenswert ist die grundsätzliche Offenheit, andere Arbeitsweisen und -modelle auszuprobieren und das für sich passende Mosaik zu entwickeln. Es braucht Mut, neue Wege einzuschlagen, aber es lohnt sich. Übrigens sind flexible Arbeitsmodelle ein elementares Entscheidungskriterium für oder wider eines Jobs bzw. Arbeitgebers. Nutzen Sie Flexibilität als Ihr I-Tüpflchen und Unterscheidungsmerkmal gegenüber den Mitbewerbern.

Restaurants bleiben geschlossen, Handwerker lassen lange auf sich warten, Urlauber verpassen ihre Flüge und Oma findet keinen Platz in der Pflege. Personalknappheit ist über alle Branchen hinweg spürbar. Jeder zweite Betrieb ist vom Fachkräftemangel betroffen.[1] Nur wohin sind die Fachkräfte abgewandert?

„Bis 2040 werden etwa 8,7 Millionen Arbeitskräfte mehr den Arbeitsmarkt verlassen als in diesen eintreten.“[2]Dass der demografische Wandel, dazu führt, dass weniger junge, erwerbsfähige Menschen auf dem Arbeitsmarkt nachrücken als in Rente gehen, sollte inzwischen bei jedem Arbeitgeber angekommen sein.

Während der Coronakrise wurde in zahlreichen Betrieben Personal abgebaut oder in Kurzarbeit geschickt. Daraufhin haben sich die betroffenen Personen Jobs in anderen Branchen gesucht – und dabei ganz offensichtlich festgestellt, dass sie dort bessere Arbeitsbedingungen und günstigere Arbeitszeiten vorfinden sowie höhere Gehälter gezahlt werden. Die Pandemie hat insbesondere in den Branchen, die im Lockdown waren, ein Umdenken bei den Beschäftigten ausgelöst. Wer aus der Gastronomie in den Supermarkt wechselte, stellte möglicherweise fest, dass die Arbeitszeiten flexibler und familienfreundlicher sind und die Bezahlung trotz fehlender Trinkgelder besser ist. Eine Rückkehr in den alten Beruf lehnen viele Personen nach monatelanger Schließung schlichtweg ab. Zum einen haben sie sich inzwischen in der neuen Tätigkeit gut eingearbeitet und zum anderen haben sie Angst vor einer erneuten Schließung.

In Branchen wie der Pflege klagen die Mitarbeitenden über schlechte Arbeitsbedingungen und Bezahlung, Überlastung und zunehmende Bürokratie. Das sind Gründe, warum auch diese Berufsgruppe in andere, hinsichtlich der o.g. Kriterien attraktivere Branchen abwandert.

Was den Arbeitsmarkt zusätzlich belastet, ist die Tatsache, dass sich Anzahl an Abiturienten in den letzten 20 Jahren verdoppelt hat. Wer früher eine Ausbildung machte, geht heute studieren (Stand August 2022 entspricht das 55,8% der Schulabgänger; eine Änderung ist nicht in Sicht.). Diese Arbeitskräfte fehlen auf dem Markt, insbesondere im Handwerk, in der Gastronomie sowie in Transport und Logistik.[3] Die Abiturienten sehen im Studium bessere Jobchancen auf dem Arbeitsmarkt, vielfältigere Perspektiven und höhere Bezahlungen.

So viel zu den ernüchternden Fakten. Ein Mangel an Fachkräften birgt immer Chancen, den Arbeitsmarkt zu verändern. In einer sehr komplexen Arbeitswelt gilt es starre Strukturen aufzubrechen, Arbeitsmodelle flexibler zu gestalten, Gleichberechtigung zu forcieren, Arbeit anders zu verteilen z.B. unter Einsatz neuer Technologien wie Robotik, um ein (Arbeits-)Leben lebenswert zu gestalten.

Sind Sie dazu bereit? Arbeitgeber sind aufgefordert, die Wünsche der zukünftigen Generationen zu berücksichtigen, umzusetzen und zu leben. Nur so werden Sie dauerhaft als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen. Es wird sich lohnen, sich mit dem Markt weiterzuentwickeln, damit kein Mangel an Fachkräften entsteht. Auf Veränderungen in Ihrer Branche, Produktwelt oder Kundengruppe reagieren Sie doch, oder?

[1] Ifo-Institut, 02.08.2022

[2] Wirschaftswoche, Detlef Scheele, 17.07.2022

[3] Zdf heute, Allzeithoch bei offenen Lehrstellen, 18.08.2022

Die Freude ist groß, wenn der passende Mitarbeiter[*] für eine Schlüsselposition gefunden wurde und der Wunschkandidat den Arbeitsvertrag unterschrieben hat. Die Enttäuschung ist umso größter, wenn der Kandidat den Job nicht antritt und dieses ggf. erst kurzfristig vor Arbeitsbeginn mitteilt. Gut ein Drittel aller Arbeitsverträge werden vor Arbeitsbeginn gekündigt! Tendenz steigend.[†]

Eine Kündigung vor Arbeitsantritt kostet heutzutage mehrere Tausend Euro, die allein für die Recruiting Maßnahmen entstehen. Die investierte Zeit und der bevorstehende Arbeitsausfall sind noch nicht einmal mit einberechnet. Der gesamte Bewerbungsprozess startet wieder bei null.

Es stellt sich die Frage, ob sich eine Kündigung vor Arbeitsantritt vermeiden lässt. Nein. Jedoch können entsprechende Maßnahmen dazu beitragen, diese Option zu verringern. Die heiß umworbenen Kandidaten können heute zumeist aus vielen Angeboten auswählen. Nicht selten wertet der aktuelle Arbeitgeber sein Angebot auf, wenn der Mitarbeiter die Kündigung einreicht und ihn damit zum Bleiben bewegt. Sobald ein besseres Angebot lockt mit besserem Gehalt, spannenderen Aufgaben, kürzerer Fahrstrecke, mehr Urlaub oder anderen attraktiveren Vorteilen, sind Verbindlichkeit, Verpflichtung und Moral keine Tugenden mehr.

Welche Möglichkeiten können den Kandidaten verstärkt an den zukünftigen Arbeitgeber binden? Bereits bei der Personalauswahl ist darauf zu achten, ob der potenzielle Kandidat für die Aufgabe „brennt“. Bedeutet die angebotene Position eine Weiterentwicklung oder eher ein Seitwärts- oder gar ein Rückschritt? Erzeugen das Gehaltsangebot sowie die Rahmenbedingungen einen Anreiz oder eher ein Schulterzucken? Das Angebot als auch der Bewerber sollen keine Verlegenheitslösungen sein, ansonsten ist eine schnelle Kündigung vorprogrammiert.

Mitunter kann eine Vertragsstrafe eine wirksame Prävention sein. Die Gestaltung des Arbeitsvertrags kann durch entsprechende Zusätze ergänzt werden, die eine Kündigung vor Arbeitsbeginn ausschließen oder bei Vertragsbruch eine Vertragsstrafe zur Folge haben. Längere Kündigungsfristen in der Probezeit sind eine Option, den Mitarbeiter vom neuen Arbeitsumfeld doch noch zu überzeugen.

Aus meiner Erfahrung am wichtigsten ist die frühzeitige Bindung zum Kandidaten, denn zwischen Vertragsabschluss und Arbeitsbeginn können Wochen oder Monate entstehen. Tendenziell steigt die Kündigungswahrscheinlichkeit, je länger der Zeitraum zwischen Abschluss und erstem Arbeitstag ist. Der enge Kontakt zu dem neuen Mitarbeiter ist ausschlaggebend für eine langfristige Beschäftigung. Einladungen zu Meetings, zu Firmenveranstaltungen oder zu Seminaren schaffen Nähe. Je früher sich der Arbeitgeber um den neuen Mitarbeiter kümmert, je mehr dieser sich als Teil der „Unternehmens-Familie“ fühlt, desto höher wird die Bindung und desto geringer wird die Option Kündigung. Bildlich gesprochen: Nach einem Heiratsantrag würde der Kontakt zum/r Auserwählten sich mit Sicherheit eher erhöhen als gänzlich einschlafen. Der Spannungsbogen darf wie bei einem fesselnden Roman nicht abreißen, sondern soll stets gesteigert werden. Nur so bleibt der Bewerber neugierig auf den nächsten Schritt und sehnt sich mit Vorfreude den Arbeitsbeginn herbei, und der Super-Gau kann vermieden werden.

[*] (w/m/x) gilt für den gesamten Text

[†] Haufe: Exzellentes Onboarding: So gehen Sie vor / 1.1 Preboarding: Maßnahmen vor Arbeitsantritt

 

Wir haben keinen Fachkräftemangel. Wir haben einen Mangel an guten Arbeitgebern.

Hand auf Herz: Wissen Sie, was einen guten Arbeitgeber ausmacht? Welche Besonderheiten Sie als Arbeitgeber auszeichnet? Was Ihre Mitarbeiter:innen an Ihnen als Arbeitgeber schätzen? Und was sie sich von Ihnen für die Zukunft wünschen? Nur jedes dritte Unternehmen in Deutschland weiß, wie es von potenziellen Bewerber:innen und Mitarbeiter:innen wahrgenommen  werden möchte und wird. Gleichzeitig rechnen zwei Drittel der Unternehmen damit, dass die Bedingungen für die Personalgewinnung und -bindung schwieriger werden. [1]

Da wirft sich doch die Frage auf, warum die deutschen Unternehmer:innen, sich nicht verstärkt mit dem Thema Arbeitgebermarke auseinandersetzen? Eigentlich liegt es doch auf der Hand, was zahlreiche Studien zur Arbeitgeberattraktivität belegen[2], Marketing in eigener Sache zu betreiben, um sich am Arbeitsmarkt bestmöglich zu verkaufen. Die Maßnahmen wirken sich sowohl positiv nach außen und innen aus wie z.B. bessere Bewerbungsquoten und höhere Mitarbeiterbindung. Es erweckt den Anschein, dass die meisten Unternehmen die Alleinstellungsmerkmale der Produkte oder Leistungen wesentlich besser vermarkten können als die Besonderheiten als Arbeitgeber. Das hängt sicherlich auch damit zusammen, dass die Vorzüge der Produkte/Leistungen bekannt sind, die als Arbeitgeber jedoch nicht.

Die positiven Aspekte einer Arbeitgebermarke sind offensichtlich: Steigerung der Bekanntheit und Attraktivität, Verbesserung der Mitarbeiterbeziehungen, Aufbau eines Images, Erhöhung des Engagement der Mitarbeiter:innen und neben weiteren Pluspunkten Aufbau eines Wettbewerbsvorteils gegenüber den Mitbewerbern. Ich denke, dass die Nachteile derzeit die Unternehmen an einem Aufbau hindern: Der Marketingprozess ist kein Spaziergang, sondern ein Marathon und der zeitliche Aufwand ist hoch. Die Investitionskosten sind hinsichtlich des Return-on-investment schwer messbar. Die Marke muss dauerhaft nach innen und außen gelebt werden, damit sie authentisch ist. Lohnt sich der Aufwand? Ja! Haben die Unternehmen eine Wahl, wenn sie sich bei der Gewinnung und Bindung der begehrten Fachkräfte nicht von der starken Konkurrenz geschlagen geben wollen. Ich sehe ein sehr großes Potenzial in der Employer Brand. Es wird das Bewusstsein für Bedürfnisse und Wünsche der Arbeiternehmer:innen, für die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und die Besonderheiten der unterschiedlichen Generationen schärfen.

Und welche Anforderungen stehen aktuell bei Beschäftigten und Suchenden auf der Wunschliste? Arbeitsplatzsicherheit und finanzielle Stabilität des Unternehmens, attraktive Löhne und Sozialleistungen, flexible Arbeitszeiten und -orte, gute Arbeitsatmosphäre und angenehmes Betriebsklima sowie berufliche Perspektiven und Weiterbildungsmöglichkeiten. Das bieten Sie als Unternehmen? Dann stellen Sie doch bitte heraus, dass Sie ein guter Arbeitgeber sind.

[1] Personalwirtschaft, 22.01.2020

[2] Stepstone, Top Job, Universität St.Gallen u.v.m.

Arbeit ist für uns weit mehr als der reine Broterwerb. Zu arbeiten gibt einen Sinn, definiert unseren Platz in der Gesellschaft, strukturiert unser Leben und stärkt das Selbstwertgefühl. Für viele Menschen ist der Beruf zum Geldverdienen da. Die heranwachsenden Generationen stellen zunehmend die Fragen nach dem „Warum“ (Y = Why) und wann Arbeit Sinn macht.

Die Frage nach dem Sinn steht immer nach der Frage des Geldes. Denn primäre Zielsetzung der Arbeit ist die Existenzsicherung. Die Sinnfrage, womit verbringe ich eigentlich einen Großteil meiner Lebenszeit, ist erst einmal zweitrangig. Worin der einzelne Beschäftigte einen Sinn im Job sieht, ist individuell geprägt.

Die Ansätze von New Work definieren Arbeit in unserem Leben neu und stellen die Aspekte der Sinnhaftigkeit ins Zentrum von Arbeit. Prinzipiell ist jede Art von Arbeit an sich sinnvoll, doch ist der Sinn nicht immer offensichtlich, wenn jemand nicht gerade für das Wohl von Menschen, Tieren oder Umwelt beruflich verantwortlich ist. Arbeit wird insbesondere dann als sinnhaft empfunden, wenn sie einen Beitrag für einen größeren Zweck leitest, sie zu den Idealen und zu der jeweiligen Lebenssituation passt und wenn das Tun wertgeschätzt wird.

Menschen, die sich mit den Aufgaben und dem Arbeitgeber identifizieren, sind wesentlich motivierter und engagierter. Der Grund, warum manche Menschen lieber zur Arbeit gehen als andere ist, dass sie zeigen können, was sie gut können, dass sie einen Beitrag zum Gesamtergebnis leisten und mitgestalten können und dass sie Anerkennung erhalten. Wer den Sinn der Tätigkeit nicht sieht, wird demotiviert, leistungsschwächer oder gar krank werden.

Unternehmen können Rahmenbedingungen schaffen, dass Arbeit als sinnhaft erachtet wird. Es werden angenehme Arbeitsatmosphäre geschaffen, ein faires Miteinander gelebt, Verantwortungsbewusstsein und Entscheidungsfreiheiten forciert, Anerkennung und Wertschätzung ausgedrückt. Der Beitrag jedes Einzelnen ist ein wichtiges Puzzlestück im Gesamtgefüge, ohne den das Unternehmen nicht dauerhaft bestehen kann. Führungskräfte sind gefragt, den Sinn der Tätigkeiten für die Mitarbeiter herzustellen. Diese Transparenz schafft Motivation, höhere Leistungsbereitschaft und geringe Krankenstände.

Auf dem Arbeitsmarkt hat der Aspekt Sinnhaftigkeit bei den Jobsuchenden oder Wechselwilligen einen hohen Stellenwert. Arbeitgeber, die der Arbeit einen Sinn geben und diesen hervorheben, verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil (Stichwort Arbeitgeberattraktivität).

Jeder Mensch will gebraucht werden und sollte einen Sinn im Job finden.

Der Begriff „Fachkräftemangel“ klingt inzwischen ziemlich abgedroschen, jedoch wird uns der Zustand mangelnder Fachkräfte weiterhin begleiten. Bereits 2016 hatte ich in diesem Zusammenhang an Arbeitgeber für mehr Offenheit hinsichtlich der Personalgewinnung sowie der Besetzung vakanter Positionen appelliert.

Nun schreiben wir das Jahr 2021 und finden keinen Weg heraus aus diesem Dilemma. Unternehmen sehen den Fachkräftemangel als ihr größtes Geschäftsrisiko, da jede zweite Firma offene Stellen längerfristig nicht besetzen kann. Ich bin wie bereits vor fünf Jahren davon überzeugt, dass einige Punkte in Bezug auf den Fachkräftemangel „hausgemacht“ sind.

In diesem Zusammenhang ist es erstaunlich, dass sich etliche DAX-Konzerne im Rahmen einer Vorruhestandregelung und attraktiver Altersteilzeitangebote von erfahrenen Fachkräften allein aufgrund ihres Alters trennen wollen. Da in der Regel ältere Kollegen mehr verdienen als jüngere, können durch diese Maßnahmen Personalkosten schneller gesenkt werden. Zigtausende, meist hoch qualifizierte Mitarbeiter werden zum alten Eisen erklärt und aussortiert. Fachkräftesicherung sieht anders aus.

Der Autobauer Ford will sogar schon 50-jährige frühverrenten, obwohl noch 17 Jahre bis zum regulären Renteneintritt fehlen. Vielen älteren Mitarbeitern wird mangelnde Dynamik vorgeworfen, die jedoch immer früher abnimmt, wenn der Rententritt vorverlegt wird. D.h. wenn ich mit 45 Jahren bereits weiß, dass ich mit 50 in Rente gehen werde, wird damit gleichzeitig die Einsatzbereitschaft abnehmen. Wieso sollte ich mich noch krumlegen, wenn ich ohnehin kurzfristig aussortiert werde?

Die Frühverrentungswelle wirkt sich auch negativ auf den Mittelstand aus, die händeringend nach Fachkräften suchen. Die Altersteilzeit bedeutet, dass in aller Regel die Betroffenen den Arbeitsmarkt dauerhaft verlassen, da sie keine andere Arbeit annehmen dürfen. Es geht neben der Fachkraft an sich auch ein ganzer Erfahrungsschatz verloren.

Zusätzlich zu den „Silver Worker“ wird die Zielgruppe „Frauen“ vernachlässigt. Warum ist wohl eine Frauenquote notwendig? Der Anstieg bei der Beschäftigung von Frauen würde einen deutlichen Wirtschaftszuwachs begünstigen. Wäre beispielsweise das Beschäftigungsniveau in Deutschland gleich hoch wie bei Männern, würde das BIP um zwölf Prozent steigen, so die Berechnungen von PwC (2019).

Nur 63 Prozent der Frauen arbeiten in Vollzeit. Aus eigenen Erfahrungen durch meine Tätigkeit in der Personalvermittlung begegne ich häufig Diskriminierungen gegenüber Frauen als Arbeitskraft. Arbeitsmarktchancen für Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, mit Behinderung und über 50 Jahre sind eingeschränkt. Das gesetzliche Gebot zur Gleichbehandlung (AGG), auch Antidiskriminierungsgesetz genannt, scheint nicht zu greifen.

Können wir es uns als Gesellschaft und führende Industrienation leisten, auf zentrale Gruppen an Erwerbstätigen zu verzichten? Nein!

Wie groß muss der Leidensdruck erst werden, damit Unternehmen zum Umdenken bereit sind? Dem deutschen Arbeitsmarkt stehen mehr Fachkräfte zur Verfügung, als es scheint. Es muss sich nur die Bereitschaft zeigen, sich gegenüber allen Personengruppen zu öffnen und bestehende Gesetze zur Altersteilzeit zu überdenken. Alle Vakanzen werden wir sicherlich auch mit diesen zusätzlichen Fachkräften nicht besetzen können, jedoch werden sich Lücken füllen, bevor der schwierigere Wege wie  durch geplante Migration begangen werden.